In Zeiten der Corona-Pandemie so wichtig wie noch nie

Noch vor einem Jahr hätte keiner von uns damit gerechnet, dass sich unser Leben einmal so drastisch verändern würde. Von jetzt auf gleich hat die Corona-Pandemie unser aller Leben kräftig durchgewirbelt und uns vor ganz neue Herausforderungen gestellt. Neben dem Spagat zwischen Home-Office, Kinderbetreuung, Home-Schooling und Haushalt, setzen uns Aspekte wie soziale Isolation, Existenzangst, Einschränkungen in der Lebensfreiheit und natürlich die Angst vor dem Virus selbst seelisch immens zu. Umso wichtiger ist es, etwas für unser seelisches Gleichgewicht zu tun und unsere Resilienz zu stärken.

Doch was genau ist Resilienz eigentlich? Warum ist sie so wichtig für unser seelisches Gleichgewicht? Und welche Bedeutung hat Resilienz für Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter? Auf diese und weitere Fragen werde ich in meinem Blogbeitrag näher eingehen.

Was ist Resilienz?

Im Allgemeinen kann man sagen, dass Resilienz das Immunsystem oder Schutzschild unserer Seele ist, dass uns davor bewahrt an Lebenskrisen oder Schicksalsschlägen wie dem Ende einer Liebesbeziehung oder dem schmerzlichen Verlust eines geliebten Menschen nicht zu zerbrechen. So sind resiliente Menschen dazu in der Lage Lebenskrisen ohne anhaltente seelische Beeinträchtigungen wie Angsterkrankungen oder Depressionen zu meistern. Sie verlieren auch in wirklich schlimmen Situationen nicht die Hoffnung und können in allem Übel noch etwas Gutes sehen, da ihr neuronales Belohnungssystem auch unter starken Belastungen noch Aktivität zeigt.

Wir alle müssen in unserem Leben mit Lebenskrisen oder Schicksalsschlägen umgehen. Selbst die stärksten Charaktere werden hin und wieder aus der Bahn geworfen. Resilienz bedeutet keinesfalls, dass man sein Leid verleugnen oder negative Gefühle unterdrücken soll. Sie soll uns aber dabei helfen mit Ausnahmesituationen besser fertig zu werden und nicht zu lange an einem Tiefpunkt zu verharren.

Resiliente Menschen machen sich nämlich keinesfalls Illusionen. Sie treten Stress und Belastungen nur auf eine andere Art und Weise entgegen. Ist der Ausgang einer schwierigen Situation ungewiss, gehen sie erstmal von einem positiven Verlauf aus und versuchen ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

Schutz- und Resilienzfaktoren

Die sogenannten Schutz- oder Resilienzfaktoren beschäftigen sich im Kern mit der Frage Was hält uns gesund?. Diese Faktoren wirken sich positiv auf unsere psychische und physische Gesundheit aus. Dabei wird zwischen den personalen und den sozialen Schutzfaktoren unterschieden. Zu den personalen Schutzfaktoren zählen Selbst- und Fremdwahrnehmung, Selbstwirksamkeit, Selbststeuerung, soziale Kompetenzen wie Kontaktfähigkeit oder Empathie sowie ein guter Umgang mit Stress. Zu den sozialen Schutzfaktoren zählen in erster Linie Faktoren der sozialen Umwelt des Menschen. Das heißt die soziale Unterstützung, die wir durch stabile Beziehungen beispielsweise in der Partnerschaft erhalten. Umso stärker diese Schutz- oder Resilienzfaktoren bei uns ausgeprägt sind, umso resilienter sind wir.

Resilienz und Salutogenese

Über die Jahre haben sich einige bekannte Wissenschaftler mit der Resilienz-Forschung beschäftigt und unterschiedliche Modelle zu diesem Thema entwickelt. Eines der ersten Modelle geht auf den israelisch-amerikanischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky zurück. Aufbauend auf einer 1970 publizierten Studie entwickelte Antonovsky das Salutogenese Modell.

In dieser Studie untersuchte der Medizinsoziologe eine Gruppe von Frauen, die im zweiten Weltkrieg in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager gefangen gehalten worden waren. Trotz dieser extrem traumatisierenden Erlebnisse gaben 29 Prozent der befragten Frauen an, sich körperlich und psychisch vollkommen gesund zu fühlen. Doch wie war das möglich? Laut Antonovskys Salutogenese Modell gibt es drei Bedingungen, die einen wesentlichen Einfluss auf unsere Gesundheit haben. Diese Bedingungen fasste der Medizinsoziologe unter dem Begriff Kohärenzsinn („Sense of coherence“ / „Sinn der Zusammenhänge“) zusammen.

Der Kohärenzsinn stellt eine wichtige gesundheitsbezogene Ressource dar. Sobald wir unsere Welt als vorhersehbar, handhabbar und sinnhaftig wahrnehmen, entsteht in uns der sogenannte Kohärenzsinn. Demzufolge sind diese drei Bedingungen dafür verantwortlich, wie wir mit unterschiedlichen Stressfaktoren in unserem täglichen Leben umgehen und inwiefern wir unsere Gedanken, Gefühle und Handlungen steuern können.

Entgegen dem biomedizinischen Krankheitsmodell, der pathogenetischen Herangehensweise hat Antonovsky erstmals auch soziale, physiologische, biochemische, emotionale und kognitive Aspekte mit in seine Forschung einbezogen. Zudem stellt er die Frage „Warum bleiben Menschen gesund?“ vor die Frage nach den Krankheitsursachen. Primär untersuchte er also die Bedingungen der Gesundheit und die Faktoren, die unsere Gesundheit schützen und erhalten.

Dabei ging der Medizinsoziloge von der gängigen Trennung in gesund und krank weg. Diesem Konzept stellt er in seinem Salutogenese Modell den Ansatz eines Kontinuums mit den Polen Gesundheit (körperliches Wohlbefinden) und Krankheit (körperliches Missempfinden) gegenüber. Das heißt, dass wir nie vollkommen gesund oder vollkommen krank sind, sondern uns immer irgendwo zwischen diesen beiden Polen befinden.

Die sieben Säulen der Resilienz

Das Modell „der sieben Säulen der Resilienz“ soll ein besseres Verständnis dafür schaffen, wie wir unsere innere Widerstandskraft gegen Stress stärken und ausbauen können. „Die sieben Säulen der Resilienz“ bauen auf dem Modell der Molekular- und Evolutionsbiologin Dr. Franziska Wiebel auf und beschreiben die „Stützpfeiler“ einer starken Resilienz.

Diese „Stützpfeiler“ setzen sich aus vier Grundhaltungen und drei Praktiken zusammen. So spielt unsere innere Haltung für Resilienz eine tragende Rolle. Unsere persönliche Einstellung gegenüber unserer Umwelt, aber auch gegenüber uns selbst hat großen Einfluss darauf, wie wir mit Stressfaktoren umgehen. Manche von uns haben Glück und „besitzen“ bereits das richtige Mindset. Diese Menschen verfügen beispielsweise über ein ausgeprägtes Maß an Optimismus, dass wiederum anderen fehlt. Doch Resilienz und die folgenden Grundhaltungen lassen sich trainieren.

Zu den Grundhaltungen gehören die folgenden vier Säulen: Akzeptanz, Netzwerkoriertierung/Bindung, Lösungsorientierung und Optimismus. Akzeptanz bedeutet auf der einen Seite einen stresslösenden Umgang mit Einschränkungen. Das heißt das Bewusstsein für die Dinge zu erlangen, die sich nicht mehr oder noch nicht verändern lassen. Also zu akzeptieren, dass sich eine Situation oder ein Aspekt in unserem Leben gerade nicht ändern lässt. Auf der anderen Seite fällt auch die Selbstakzeptanz oder Selbstannahme unter diese Grundhaltung. Wenn wir uns so akzeptieren wie wir sind, also mit all unseren Fehlern und Schwächen, finden wir einen besseren Zugang zu uns selbst und zu unseren Ressourcen.7 Säulen der Resilienz

Unter Netzwerkorientierung oder Bindung verstehen wir die Beziehung zu uns selbst, zu anderen Menschen und ganzen Gruppen. Bindung stillt unser menschliches Bedürfnis nach Kontakt, stärkt die sozialen Schutzfaktoren und trägt auf diese Weise zu einer besseren Resilienz bei. So gibt uns die Gewissheit, dass wir nicht alleine sind, in schwierigen Situationen Kraft und Halt. Lösungsorientierung bedeutet, dass wir sobald wir eine schwierige Situation akzeptiert und hinter uns gelassen haben, den Blick wieder nach vorne richten und nach Lösungsansätzen suchen – klare Ziele definieren und Wege finden, diese auch umzusetzen.
Die vierte Grundhaltung ist Optimismus. Hierbei ist ein gesundes Maß an Optimismus gemeint. Also die optimale Balance zwischen Negativ- und Positivfokus sowie das Bewusstsein, dass man den Verlauf des eigenen Lebens selbst in der Hand hat.

Zu den drei Praktiken zählen Selbstwirksamkeit oder die eigene Opferrolle verlassen, Verantwortung übernehmen und Zukunftsplanung. Durch die regelmäßige Anwendung dieser Praktiken stärken wir unsere innere Widerstandskraft. Selbstwirksamkeit bedeutet, dass wir uns darüber bewusstwerden, dass unser Handeln Auswirkungen hat und daran glauben, dass wir selbst etwas an unserer Lage ändern können.

Unter dem Aspekt Verantwortung übernehmen, wird ein geeignetes Maß an Eigeninitiative verstanden, dass wir benötigen, um unsere Ziele zu erreichen. Zu guter Letzt gehört zu den sieben Säulen der Resilienz noch der „Stützpfeiler“ Zukunftsplanung. Damit ist in erster Linie die aktive und bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Zukunft gemeint. Resiliente Menschen entwickeln meist früh realistische Ziele, die sie erreichen möchten.

Umso stärker die sieben Säulen der Resilienz in uns verankert sind, umso resilienter sind wir auch. Wie resilient wir aber wirklich sind, lässt sich noch genauer mit dem sogenannten Resilienz-Test bestimmen.

Resilienz 2

Der Resilienz-Test

Mithilfe des Resilienz-Tests wird bestimmt, welche Schutz- oder Resilienzfaktoren bei uns in welcher Intensität vorhanden sind. Der Fragebogen besteht dabei aus insgesamt 32 Aussagen, die wir auf einer Skala von „Trifft überhaupt nicht zu“ bis „Trifft voll und ganz zu“ einordnen müssen. Darunter Aussagen wie „Ich vertraue darauf, dass es besser wird“ oder „Ich kann alles schaffen, was ich mir vornehme“. Anhand eines Punktesystems können wir am Ende erkennen, welche Resilienzfaktoren bei uns stärker und welche weniger stark vorhanden sind. Auf diese Weise lässt sich herausfiltern, an welcher Stelle Handlungsbedarf besteht, um unsere innere Widerstandskraft zu verbessern.

Resilienz – Auch im Arbeitsleben von hoher Bedeutung

Mit der ständigen Zunahme psychischer Erkrankungen und den damit verbundenen krankheitsbedingten Ausfällen der Mitarbeiter, steigt auch die Bedeutung von Resilienz für Unternehmen und Führungskräfte. So meistern resiliente Mitarbeiter nicht nur Ausnahmesituationen besser, sondern sind auch im normalen Arbeitsalltag deutlich belastbarer. Resiliente Mitarbeiter treten Veränderungen beispielsweise positiv entgegen, können mit Stress besser umgehen, bewahren auch in hektischen Zeiten die Ruhe und glauben an ihre eigenen Fähigkeiten.

Doch was kann ich als Führungskraft tun, um die innere Widerstandskraft meiner Mitarbeiter langfristig zu stärken? Zuallererst ist es wichtig sich als Führungskraft darüber bewusst zu werden, dass jeder Mitarbeiter ganz unterschiedliche Stärken, Ängste und Grenzen hat. Es ist daher von hoher Bedeutung jeden Mitarbeiter als Individuum wahrzunehmen und zu respektieren. Um das Vertrauen und die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter zu stärken, ist es unerlässlich regelmäßige Mitarbeitergespräche zu führen. Nur so erfährt der Vorgesetzte wie es den Beschäftigten in der aktuellen Situation geht. Auch in Zeiten von Home-Office dürfen Mitarbeitergespräche keinesfalls zu kurz kommen.

Zudem hat auch das eigentliche Führungsverhalten Auswirkungen auf die Resilienz der Mitarbeiter. Führungskräfte sollten daher das Selbstbewusstsein ihrer Mitarbeiter stärken. Das gelingt am besten, indem man seinen Angestellten Wertschätzung entgegenbringt, ihnen etwas zutraut und ihre Weiterentwicklung vorantreibt. Außerdem sollten Führungskräfte dafür sorgen das die zu erledigenden Aufgaben immer klar definiert sind und ihren Mitarbeitern jederzeit für Rückfragen zur Verfügung stehen. Eine gesunde Unternehmenskultur sorgt zusätzlich für eine gestärkte Resilienz der Mitarbeiter.

Die eigene Resilienz erhöhen

Wie ich oben bereits erläutert habe, „besitzen“ manche Menschen von Natur aus, eine hohe Resilienz und sind auf diese Weise stark gegenüber Lebenskrisen. Sie gehen daraus ohne seelische Schäden hervor. Gehören wir allerdings nicht dazu, ist das erstmal nicht weiter schlimm, weil wir das Immunsystem unserer Seele trainieren können. Im Folgenden gebe ich eine paar Tipps wie das gelingen kann.

  1. Werfen Sie in schwierigen Situationen einmal einen Blick zurück und machen Sie sich bewusst, welche Krisen Sie in der Vergangenheit bereits erfolgreich gemeistert haben.
  2. In schwierigen Situationen neigen wir dazu an uns selbst zu zweifeln. Nehmen Sie sich daher einmal die Zeit und notieren Sie alles was Sie wirklich gut können.
  3. Akzeptieren Sie Niederlagen. Umso schneller wir mit einem Misserfolg abgeschlossen haben, umso schneller können wir uns auf neue Dinge konzentrieren.
  4. Pflegen Sie Beziehungen. Menschen, die uns nahestehen, geben uns in Krisenzeiten den nötigen Halt.
  5. Nehmen Sie sich bewusst Zeit für sich selbst und tun sie sich etwas Gutes.
  6. Sehen Sie einmal gar keinen Ausweg weg mehr, nehmen Sie Hilfe an. Keiner muss mit allem alleine fertig werden.

Fazit

„Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende, “ besagt ein Zitat des bekannten irischen Schriftstellers Oscar Wilde. Manchmal fällt es uns aber ungemein schwer daran zu glauben. Umso wichtiger ist es daher, die eigene Resilienz zu stärken. Aus diesem Grund gebe ich regelmäßig Seminare und Workshops zu diesem Thema.