Warum die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit so wichtig ist

Immer schon sahen sich Mitarbeiter und Unternehmen mit neuen Herausforderungen in der sich stetig wandelnden Arbeitswelt konfrontiert. Relativ neu ist es jedoch, dass sich Unternehmen nachhaltig darüber Gedanken machen, wie sie die Arbeitsfähigkeit ihrer Mitarbeiter stärken können. Denn eine geringere Arbeitsfähigkeit bedeutet, dass der Mitarbeiter auf der einen Seite weniger Leistung erbringt, auf der anderen Seite fühlt sich der Beschäftigte meist auch weniger wohl. Sei es körperlich oder mental. Eine mangelnde Arbeitsfähigkeit hat demzufolge negative Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg. Ist die Arbeitsfähigkeit hingegen hoch, wirkt sich das positiv auf die Gesundheit und die Lebensqualität des Mitarbeiters aus und zum anderen wird auf diese Weise die Produktivität des Mitarbeiters erhöht und eine bessere Arbeitsqualität gewährleistet. Daraus entsteht eine Win-win-Situation für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Da ein großer Konsens zwischen dem besteht, was ein Unternehmen von seinen Mitarbeitern erwartet und dem was die Beschäftigen leisten können oder wollen, ist es essentiell die Arbeitsfähigkeit aus dem Unternehmen heraus zu fördern.

In meinem Blogbeitrag werde ich deshalb näher auf ein weit verbreitetes und sehr nachvollziehbares Modell eingehen. Das Modell das „Haus der Arbeitsfähigkeit“.

Entstehung des Modells „Haus der Arbeitsfähigkeit“

Das bekannte Modell „Haus der Arbeitsfähigkeit“ des finnischen Wissenschaftlers Juhani Ilmarinen beschreibt auf sehr anschauliche Art und Weise, welche Faktoren sich wesentlich auf die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter auswirken. Im Kern hängt die Entwicklung der Arbeitsfähigkeit davon ab, wie stabil dieses Haus ist und wie gut es Instand gesetzt wird.

Haus der Arbeitsfähigkeit
Eine Übersicht über das Haus der Arbeitsfähigkeit

Prof. Juhani Ilmarinen beschäftigt sich seit dem Ende der 1980er Jahre intensiv mit der Frage, wie man die Arbeitskraft der Beschäftigten erhalten und entwickeln kann, damit sie dem Unternehmen langfristig von Nutzen sein können und gleichzeitig bis ins hohe Alter gesund bleiben. Leider ist der Begriff der Arbeitsfähigkeit generell sehr eng gefasst. Die Arbeit an sich sowie die damit verbundenen Anforderungen und Bedingungen werden dabei meist gar nicht hinterfragt. Die Leidtragenden einer solchen Betrachtung sind oftmals die älteren Mitarbeiter. Können diese mit zunehmendem Alter beispielsweise schlechter schwere Dinge tragen oder heben, werden sie als vorschnell Leistungsunfähig eingestuft. Ein Fehler! Mit diesen Einschränkungen sind sie nämlich keinesfalls arbeitsunfähig.

So kommt es, dass Ilmarinen die Arbeitsfähigkeit wie folgt definiert:

„Die Arbeitsfähigkeit beschreibt das Potenzial eines Menschen, einer Frau oder eines Mannes, eine gegebene Aufgabe zu einem gegebenen Zeitpunkt zu bewältigen. Dabei muss die Entwicklung der individuellen funktionalen Kapazität ins Verhältnis gesetzt werden zur Arbeitsanforderung. Beide Größen können sich verändern und müssen alters- und alternsgerecht gestaltet werden.“

Eine Aufforderung, die sich sowohl an die Unternehmen als auch an die Mitarbeiter gleichermaßen richtet.

Mögliche Vorlage eines BGM-Konzepts

Die Förderung der Arbeitsfähigkeit ist aus diesem Grund ein Konzept des Betriebes und der Beschäftigten. Die Verantwortung die Arbeitsfähigkeit zu erhalten, liegt deshalb auf beiden Seiten und sollte daher immer aus zwei Blickwinkeln betrachtet werden. Auf der einen Seite aus der des Mitarbeiters und auf der anderen Seite aus der des Unternehmens. Für den Mitarbeiter steht der Spaß am Beruf und das Gehalt im Vordergrund. Für das Unternehmen ist es wichtig, dass der Mitarbeiter leistungsfähig bleibt und somit den Unternehmenserfolg nach vorne treibt. So ist es die Verantwortung des Arbeitgebers die Arbeitsanforderungen und damit eventuell verbundene Belastungen auf eine Weise zu gestalten, dass sie als betriebliche Ressourcen dazu beitragen, dass die Mitarbeiter ohne größere Gefährdungen ihren Aufgaben nachgehen können.

Um beide Seiten besser beleuchten zu können, kann das Modell „Haus der Arbeitsfähigkeit“ äußerst hilfreich sein. Zudem kann das Modell unterstützend als Vorlage für ein BGM-Konzept verwendet werden.

Die Ebenen des „Hauses der Arbeitsfähigkeit“

Im Modell „Haus der Arbeitsfähigkeit“ werden vier aufeinander aufbauende Stockwerke beschrieben. Das Erdgeschoss bildet mit der Gesundheit das Fundament der Leistungsstärke. Ist mit der physischen oder psychischen Gesundheit des Mitarbeiters etwas nicht in Ordnung, ist dementsprechend auch keine gute Arbeitsfähigkeit gewährleistet.

Etage 1

Sprechen wir über das Thema Gesundheit, bildet das bio-psychosoziale Gesundheitsmodell die Basis. Denn Gesundheit beschreibt nicht nur den körperlichen Zustand eines Menschen, sondern umfasst auch deren psychische und soziale Dimensionen. Zudem stellt die Gesundheit nicht nur etwas objektiv Feststellbares, sondern auch etwas subjektiv Erlebtes dar. Aus diesem Grund beschäftigen wir uns in diesem Bereich mit den Gesundheitspotentialen der Mitarbeiter und den damit verbundenen Einschränkungen

Etage 2

Ein Mitarbeiter kann die Arbeitsanforderungen trotz guter Gesundheit aber nur dann bewältigen, wenn er über die dafür notwendige berufliche Kompetenz und

Fähigkeit verfügt und diese regelmäßig weiter entwickeln kann. Denn eine gute Qualifikation und die richtigen beruflichen Kompetenzen sind für den Erhalt der Arbeitsfähigkeit unabdingbar. Die Möglichkeit die eigenen Fähig- und Fertigkeiten einbringen zu können, gehört ebenfalls dazu. Hierauf baut die zweite Etage des Modells auf.

Etage 3

Generell haben positive Grundwerte und eine gute Arbeitseinstellung einen sehr hohen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit und das Arbeitsklima im Unternehmen. Oftmals haben die Mitarbeiter zum Beginn ihrer beruflichen Laufbahn eine äußerst positive Einstellung gegenüber ihren zu verrichtenden Tätigkeiten.

Diese Einstellung ist ein enorm wichtig für das Unternehmen. Mit den Werten und Einstellungen der Mitarbeiter befasst sich das dritte Stockwerk.

Etage 4

Dieses Stockwerk ist am engsten mit dem obersten Stockwerk verbunden, welches sich mit den Arbeitsbedingungen, der Führungskultur, den

Arbeitsanforderungen und den Handlungsspielräumen beschäftigt. An dieser Stelle entscheidet sich oftmals, ob negatives Führungsverhalten oder ein schlechtes Betriebsklima unmittelbare Auswirkungen auf die Einstellung der Mitarbeiter hat. Zudem lassen sich hier auch die passenden Mechanismen finden, um das Team zu stärken und mit Hilfe geeigneter Weiterbildungen und Arbeitsmittel, dass Arbeitsklima für die Mitarbeiter zu verbessern und gleichzeitig deren Leistungsfähigkeit und Produktivität zu steigern.

Studienergebnisse des Haus der Arbeitsfähigkeit

Finnische Studien haben gezeigt, dass die Führungskultur eines Unternehmens den größten Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter hat. So ist die Führungskultur in einem Betrieb maßgeblich für die Gestaltung der Arbeitsanforderungen und der Arbeitsumgebung mitverantwortlich. Darüber wird auch der Handlungsspielraum der Mitarbeiter festgelegt und deren Werte, Einstellungen und Motivation beeinflusst. Als Führungskraft hat man also die Möglichkeit zum Gelingen einer guten Kommunikation und eines positiven Arbeitsklimas beitragen oder am Scheitern eben dieser mitverantwortlich zu sein.

Die Prozessergonomie d.h. gut strukturierte Arbeitsabläufe oder wenig störende Unterbrechungen sowie die Arbeitsplatzergonomie spielen ebenfalls eine übergeordnete Rolle.

Neben den inneren Einflussfaktoren des „Hauses der Arbeitsfähigkeit“ dürfen aber auch die äußeren Einflüsse durch die Familie, das persönliche und das regionale Umfeld nicht außer Acht gelassen werden. Denn zwischen den inneren und den äußeren Faktoren besteht eine große Wechselwirkung. So wirkt sich privater Kummer negativ auf meine Arbeit aus. Stress auf der Arbeit belastet dementsprechend mein Privatleben.

Anwendung in der Praxis

Um das „Haus der Arbeitsfähigkeit“ in der Praxis anwenden zu können, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. So können Sie sich beispielsweise mit ihren Mitarbeitern im Rahmen eines Workshops zusammensetzen und gemeinsam Antworten auf die Fragen der einzelnen Ebenen finden. (Hierzu finden Sie weiter unten im Text ein paar Anregungen.) Oder Sie lassen Ihre Mitarbeiter die Fragen eigenständig beantworten.

Illmarin selbst hat dafür den Work Ability Index (WAI) entwickelt. Der WAI, ein Fragebogen der sieben Dimensionen mit 10 Fragestellungen beinhaltet, ist meiner Meinung nach aber nur bedingt hilfreich, da er sich in erster Linie mit dem Fundament des Modells, also dem Thema Gesundheit befasst. Außerdem liefert das Ergebnis des Fragebogens keine Maßnahmen, die zur Erhaltung, Steigerung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit beitragen. Deshalb ist es sinnvoll einen Experten zur Rate zu ziehen, der gemeinsam mit der Unternehmensführung ein individuell angepasstes Konzept zur Erfassung und Erhaltung der Mitarbeiterarbeitsfähigkeit erstellt.

Im Folgenden habe ich exemplarisch jeweils drei Fragen pro Ebene aufgelistet, die Ihnen als erste Anregung dienen soll.
(Quelle:https://www.arbeitsfaehig.com/uploads/content/pdf/568a4836a564c.pdf)

  1. Gesundheit
    • Welche gesundheitlichen Stärken sehen Sie in Ihrem Unternehmen?
    • Auf welche Weise fördern Sie aktuell die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter?
    • Kennen Sie die Zahlen des Krankenstandes (Kurz- und Langzeitkrankenstände) in Ihrem Unternehmen?
  1. Qualifikation und Kompetenz
    • Passen die formalen Qualifikationen mit den Anforderungen zusammen?
    • Gibt es bei den jüngeren und älteren Mitarbeitern Qualifikationsunterschiede?
    • Wird die Weiterbildung aller Altersgruppen gefördert und gefordert?
  1. Werte, Einstellungen und Motivation
    • Engagieren sich Ihre Mitarbeiter?
    • Sind auch ältere Mitarbeiter bereit sich weiterzubilden?
    • Ist Ihren Führungskräften der Zusammenhang zwischen Wertschätzung und Motivation bewusst?
  1. Arbeit, Arbeitskultur, Arbeitsprozesse und Arbeitsplätze
    • Sind sich die Führungskräfte ihrer Verantwortung in Bezug auf Arbeitsfähigkeitserhaltung bewusst und werden sie durch die Betriebsleitung dabei unterstützt?
    • Haben Ihre Führungskräfte die Einstellung, dass auch ältere Mitarbeiter über eine ausreichende Leistungsfähigkeit verfügen?
    • Gibt es Arbeitsplätze, die auf Grund ihrer körperlichen Anforderungen nicht bis 65 Jahre ausgeübt werden können?

Mein Fazit:

Alles in allem halte ich das Modell das „Haus der Arbeitsfähigkeit“ für sehr nachvollziehbar und äußerst übersichtlich aufgebaut. In Kombination mit speziell auf die einzelnen Unternehmenssituationen abgestimmten Analyseelementen lässt sich das Modell sehr gut zur Strukturierung und Entwicklung eines BGM-Projekts sowie in Workshops und Steuerungskreisen nutzen.

Gerne stehe ich Ihnen an dieser Stelle mit meiner Erfahrung und meinem Fachwissen zur Verfügung. Zusammen erhalten wir die Leistungsfähigkeit Ihrer Mitarbeiter langfristig!