Wer rastet, der rostet

„Bildhauer leben länger als Maler“, sagte Prof. Dr. Ingo Froböse, der „Sportpapst“ von der Sporthochschule Köln, bei einem seiner Vorträge. Ob der Spruch von ihm stammt oder nicht – richtig ist auf alle Fälle, dass Bewegung neben einer gesunden Ernährung großen Einfluss auf unsere körperliche und seelische Gesundheit hat.

Wenn ich hier von Bewegung spreche, dann meine ich die Art, die einen gesundheitlich positiven Effekt auf unseren Körper hat. Gemeint ist weder das Training mit einer sportlichen Zielsetzung – auch wenn intensives Training durchaus positive Auswirkungen auf den Körper haben kann – auch soll es hier nicht um das Ziel Gewichtsabnahme gehen.

Mein Artikel richtet sich eher an Alle, die sich nicht zu regelmäßiger Bewegung aufraffen können. Von mir bekommst du hilfreiche Tipps, die du direkt in deinen Alltag integrieren kannst.

Stress – Dein Körper im Alarmzustand

Unser Körper reagiert evolutionsbedingt auf Situationen, die wir als Gefahr wahrnehmen, mit einer Art körperlichem Notfallprogramm: Einige Systeme werden in Alarmbereitschaft versetzt, andere heruntergefahren, um schnell flüchten oder uns verteidigen zu können. Das Ganze läuft unterbewusst und in Sekundenbruchteilen ab, wir können diesen „Kampfmodus“ nicht bewusst steuern. Was im Körper unserer Ur-Ahnen durch Raubtiere ausgelöst wurde, erledigt für den modernen Menschen eine Ansage vom Chef oder ein verärgerter Kunde. Was vor 1000 Jahren unser Überleben sicherte, ist heute situativ zwar hilfreich, auf Dauer aber schädlich.

Hinzu kommt, dass Stress und Druck zu einer veränderten, unbewussten Lebensweise führen. Eine Spirale aus schlechtem Schlaf, langen Arbeitszeiten und Frustessen führt dazu, dass wir uns am Ende des Tages zu erschöpft für sportliche Aktivitäten fühlen. Stattdessen machen wir es uns auf der Couch bequem…

Früher haben wir Stress durch ausreichende Bewegung schnell wieder abgebaut und unser körperliches und seelisches Wohlbefinden war wiederhergestellt. In der heutigen Zeit bewegen wir uns oftmals gar nicht oder zu wenig. Die Regenerationsprozesse im Körper werden dadurch verlangsamt.

Dauerhafter Stress führt zu pathologischen Folgen wie Konzentrationsschwierigkeiten, Kopf- und Rückenschmerzen oder Erschöpfung bis hin zu chronischen Erkrankungen wie Tinnitus, Magengeschwüren oder Depressionen.

Zunächst aber eine kurze – stark vereinfachte – Erläuterung, was im Körper bei regelmäßiger Bewegung passiert.

Positive Auswirkung auf den Blutdruck

Bluthochdruck ist eine Volkskrankheit und laut Studien für rund ein Drittel aller Schlaganfälle und gut die Hälfte aller Herzinfarkte verantwortlich. Hypertonie betrifft keinesfalls nur ältere Menschen. Heute leiden schon Kinder unter dieser Krankheit. Ein ungesunder Lebensstil mit wenig Bewegung trägt maßgeblich dazu bei. Die Langzeitfolgen können verheerend sein.

Bei zu wenig Bewegung kommt es zu Verdickung und fehlender Elastizität der Blutgefäße und somit langfristig zu Arterienverkalkung. Wenn wichtige Organe aufgrund der verstopften Arterien nicht mehr ausreichend mit Blut und damit mit Sauerstoff versorgt werden, kann das zu Infarkten des Herzens oder im Gehirn führen.

Ausdauertraining kann dem vorbeugen: Schon leichtes Ausdauertraining hat positive Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System. Bei regelmäßigem Training reagiert der Körper mit Absenkung des Ruhe- und Belastungspulses, sowie mit Absenkung des Blutdrucks.

Mit Ausdauertraining kriegt dein Blut sein Fett weg

Ausdauertraining beeinflusst auch die Blutfette günstig: der HDL-Cholesterin Wert im Blut steigt! HDL-Cholesterin ist „gutes Cholesterin“, denn es nimmt schädliches Cholesterin aus den Zellen auf und transportiert es zur Leber, wo es über die Galle ausgeschieden wird. Durch diesen Abtransport sinkt die Konzentration von Blutfetten, die langfristig zu Bluthochdruck und Gefäßverkalkung führen.

Positive Auswirkung auf die Gefäße des Herzens

Das Herz ist der zentrale Motor des Kreislaufsystems. Es schlägt bis zu 100.000 Mal am Tag. Mit einem Vergleich in die Autowelt lässt sich das vereinfacht erklären: Bekommt der Motor durch eine defekte Spritleitung keinen Brennstoff mehr, verweigert er seinen Dienst. Mit unserem Herz verhält es sich ähnlich. Sind unsere Blutgefäße zum Herzen verengt (Arterienverkalkung), bekommt das Organ nicht mehr genügend Sauerstoff.

Was die wenigsten wissen: Verkalkungsprozesse beginnen schon ab dem 20. Lebensjahr. Bestimmte Faktoren wie Alter, Geschlecht und genetische Veranlagung können wir nicht beeinflussen: Wir müssen damit leben, dass ab dem 40. Lebensjahr das durchschnittliche Herzinfarktrisiko mit jeder Lebensdekade um das 10fache ansteigt.

Das Gefährliche an einer fortschreitenden Arterienverkalkung ist, dass sie zunächst vollkommen unbemerkt bleibt. Erst bei fortschreitender Verengung der Gefäße treten die ersten Beschwerden auf, vor allem unter Belastung. Durch eine zunehmende Kurzatmigkeit müssen bereits geringe Belastungen nach kurzer Zeit abgebrochen werden. Die Treppe im Hausflur wird auf diese Weise schnell zum Mount Everest.

Altersbedingte Gefäßdegeneration ist aber nicht der alleinige Grund für einen möglichen Herzinfarkt. Risikofaktoren wie Rauchen, regelmäßiger Alkoholkonsum, erhöhte Blutfettwerte, Bluthochdruck und schlechte Ernährung beschleunigen ebenfalls die Verengung der Herzkranzgefäße.

Ein gesunder Lebensstil, der Bewegung oder moderates Ausdauertraining beinhaltet, ist auch hier Präventionsmittel Nummer eins. Neben den oben schon beschriebenen positiven Auswirkungen auf die Blutfettwerte und die Arterien wird der Herzmuskel trainiert: Das Herz kann dann bei gleicher Belastung mehr Blut pumpen.

Positive Auswirkung auf Insulinresistenz

Jaja, das süße Gift… über 35 Kilogramm Zucker nimmt der Deutsche im Jahr durchschnittlich zu sich! Normalerweise werden ca. 90 % der mit der Nahrung aufgenommenen Glukose (Zucker) durch das Hormon Insulin aus dem Blut entfernt. Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse produziert und sorgt dafür, dass Muskelzellen aktiviert werden, die die Glukose aufnehmen. Zuviel Zucker, vor allem Einfachzucker (Monosaccharide), wirken aber toxisch – also vergiftend – auf die Zellen. Daraus resultiert eine Fehlfunktion: Die Körperzelle nimmt das vorhandene Insulin nicht mehr auf, es bleibt im Blut.

Dort entfaltet sich die anabole Wirkung des Insulins auf die Wand der Blutgefäße, was langfristig ebenfalls zu Verkalkung der Arterien und einer fehlenden Elastizität der Gefäßwände führt. Die Gefahr eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls steigt. Zudem beschleunigt die anabole Wirkung des Insulins das Wachstum von Krebszellen.

Deshalb ist es wichtig, dass wir einerseits auf unsere Ernährung achten und zugleich dafür sorgen, dass wir genügend Muskelzellen im Körper haben. Mehr Muskeln bedeuten mehr Zellen, die bei gleicher Insulinmenge mehr Zucker aufnehmen können. Deswegen sollte neben moderatem Ausdauertraining auch regelmäßiges moderates Krafttraining auf dem Plan stehen, das den Muskelaufbau fördert.

Vorbeugen von Depression

Bewegung hat großen Einfluss auf unser seelisches Wohlbefinden. Die in der Muskulatur gebildeten Enzyme haben eine stimmungsaufhellende und antidepressive Wirkung. Diese Enzyme sind in der Lage, depressionsfördernde Aminosäuren aufzuspalten. Dein Gehirn wird so vor schädlichen Einflüssen geschützt. Wer sich regelmäßig bewegt lebt nicht nur länger, sondern auch besser und zufriedener!

Zusammenfassung und Empfehlung

Bewegung ist ein Medikament für sehr viele Symptome und das Beste Präventionsmittel. Aus gesundheitlicher Perspektive ist moderates Ausdauertraining ausreichend. Entscheidend für die positive Wirkung auf unseren Körper ist nicht nur die Bewegung an sich, sondern auch die Trainingsintensität: Man muss kein Hochleistungssportler werden, sollte es beim Training aber auch nicht zu gemütlich angehen: Eine gewisse Belastung ist nötig, damit der Körper sich nicht nur regeneriert, sondern auch für zukünftige Belastungen gewappnet ist – den Effekt nennt man auch Super-Kompensation.

Wenn du dich auf Dauer an die Empfehlungen hältst und regelmäßig trainierst, kannst du deine Gesamtsterblichkeitsrate um 20 % reduzieren. Außerdem gilt: je leistungsfähiger du bist, desto schneller tritt eine Regeneration ein. Das ist vor allem in unserer intensiven, kurzlebigen Arbeitswelt sehr wichtig.

Die Dosis macht‘s

Nachfolgend findest du ein paar Tipps für mehr gesunde Bewegung. Bitte beachte: Ich bin Sportwissenschaftler, kein Arzt! Es handelt sich hier also um Empfehlungen für gesunde Menschen ohne Vorerkrankungen. Solltest du dir nicht sicher sein, ob du fit genug für ein Sportprogramm bist, so rate ich dir dringend, vorher einen Arzt aufzusuchen und sicherheitshalber ein EKG machen zu lassen.

Folgende Voraussetzungen sollten für ein gesundes Training erfüllt sein:

    1. Mindestens 2000 kcal pro Woche mehr verbrauchen (3-4 Stunden moderate Bewegung)
    2. Mindestens 2 Trainingseinheiten pro Woche
    1. Dauer des Einzeltraining mindestens 15 Minuten
    2. Geduld mitbringen – erste Trainingswirkung zeigt sich nach ca. 8 Wochen
    3. Mache einen, besser noch zwei Tage Pause zwischen den Trainingsreizen
    4. Belastungsintensität 60-65% VO2 Max, 70 % der MaxHF – Um diese maximale Herzfrequenz korrekt zu bestimmen, kannst du eine Leistungsdiagnostik von einem Sportmediziner durchführen lassen. Die Faustregel für den Hobbysportler: lautet „Laufen ohne zu Schnaufen“ – Anstrengen ja, aber nicht übertreiben!

Es eignen sich alle Sportarten, bei denen mehr als 1/6 der Muskulatur gleichzeitig in Bewegung ist. Dazu zählen z.B. Laufen, Nordic Walking, schnelles Gehen, Radfahren, Step Aerobic mit Armeinsatz, Inline-Skating oder Schwimmen.

Finde eine – oder besser noch mehrere – Sportarten, die dir wirklich Spaß machen! Denn regelmäßige Bewegung ist die umfassendste, wirksamste und nebenwirkungsärmste Form, um gesund zu bleiben!